Ausstellung

LIMINAL SPACES

Ich war gestern in der kleinen, aber sehr feinen Ausstellung LIMINAL SPACES des Architektenbüros Schuberth und Schuberth in Wien.

Liminal Spaces sind Übergangsorte oder auch Übergangszustände. Aus dem Blickwinkel der Architektur lassen sich verschiedene Arten von Liminal Spaces finden – von verlassenen Gebäuden, die auf eine weitere Nutzung oder oft auch den Abriss warten, über Verkehrswege wie Treppen, Gänge oder Höfe, bis hin zu Einrichtungen für Transport oder Reise, also Haltestellen und Bahnhöfe. 

Die Ausstellung beleuchtet diese verschiedenen Arten von Liminal Spaces, denkt aber nicht nur von der Architektur aus, sondern auch vom Menschen aus – denn auch innere Zustände können liminal sein. (Der Begriff selbst stammt aus der Ethnologie.) Insofern ein sehr psychologischer Ansatz. 

Eine ganz wichtige Rolle spielt in dieser Ausstellung der Ort, an dem sie stattfindet: Die Portierswohnung des Gebäudes Gumpendorfer Straße 10 bis 12 im 6. Wiener Gemeindebezirk. Diese Wohnung ist auch ein Ort des Übergangs: Sie ist Symbol für eine vergangene Epoche großbürgerlichen Wohnens in Wien. Zum anderen ist diese Wohnung, die bis vor gar nicht so langer Zeit bewohnt war, nun immer wieder Rahmen für andere Gedanken, Ausstellungsstücke und Menschen. Sie kommen und gehen. Die Wohnung ist in ihrer Nutzung als Architekturgalerie also ein Ort der Veränderung und des Übergangs. Und auch der Besucher einer Ausstellung selbst ist ja im Moment des Ausstellungsbesuches in einem liminalen, einem Übergangszustand. Er ist vor dem Besuch ein anderer als nach dem Besuch. Zumindest dann, wenn die Ausstellung wirkt.

Das Konzept der liminalen Räume spielt auch in der Wohnpsychologie eine große Rolle und ich treffe in verschiedenen Kontexten auf LIMINAL SPACES.

Der Verkauf einer Immobilie zum Beispiel ist eine Phase, in der liminale Räume entstehen. Für den Verkäufer selbst ist ein Hausverkauf eine Übergangsphase, aber auch seine Immobilie durchläuft verschiedene Stadien, die jeweils liminal sind.

Home Staging (das professionelle Vorbereiten einer Immobilie für die Vermarktung) gestaltet dann diese liminal spaces und findet per definitionem ausschließlich in einem liminal space statt – es wird in einer gestagten Wohnung ja nie gewohnt.

Der Umzug von einer Wohnung in die andere ist in der Regel der Umzug von einem liminal space in einen anderen. Jemand zieht aus – hinterlässt einen liminal space – und ein anderer zieht ein. 

Aber nicht nur der Wechsel von Wohnungen schafft liminal spaces, auch das Umgestalten von Räumen. Man räumt aus und weg, gestaltet neu, prüft, verändert wieder, so lange bis es passt. Und so lange es nicht passt, ist der Zustand liminal.

Weiter gedacht spielen vor allem in der Stadtgestaltung und im Erleben des öffentlichen Raumes liminal spaces eine große Rolle. Denn Städte sind immer in Veränderung, Veränderung, die bei den Bewohnern oft Emotionen hervorruft – Freude über das kommende Neue, aber oft auch Trauer und Wut über den Verlust von Gebäuden oder Landmarks. Und die Übergangszustände dauern oft jahrelang an. Ein Haus wird verkauft, die Bewohner oder Nutzer ziehen aus, es steht lange leer, bevor es dann abgerissen und etwas neues gebaut wird. 

Liminal Spaces spielen beim Wohnen also eine viel wichtigere Rolle, als man im ersten Moment denken mag. Oft müssen wir das Liminale eines Ortes auch aushalten lernen. Andererseits, wie in der Ausstellungsbeschreibung formuliert wird: „…solche Orte wie Durchgänge, Stiegen und Höfe (können) gerade wegen ihrer Unbestimmtheit Orte der Erholung sein.“ Absolut! 

Insgesamt ist LIMINAL SPACES eine Ausstellung, die mit ihren Räumen, ihren Exponaten und ihrer liebevollen Inszenierung (der Küchentisch! das Hofkino mit Wäsche!) bei mir viele Gedanken und Spuren hinterlässt. Ich werde sie jetzt noch bewusster wahrnehmen, die LIMINAL SPACES, denen ich begegne. 

LIMINAL SPACES – nicht mehr, aber noch nicht.

LIMINAL SPACES

www.schuberthundschuberth.at

Die Ausstellung ist bis 17. April 2025 jeden Donnerstag von 15 bis 18 Uhr geöffnet:

PORTIER, Gumpendorfer Straße 10-12, 1060 Wien

(ggf. im 4. Stock beim Architekturbüro melden)