Gesas Bericht:

Wohnpsychologische Beratung: Home Office

Anfang des Jahres wurde ich von Gesa Füßle gefragt, ob ich sie bei der Gestaltung ihres Home-Office beraten könnte. Sie sei nicht so recht zufrieden mit dem Ist-Zustand, es fehle irgendwie Struktur… Sie würde ihre Erfahrungen dann auch aufschreiben. (Gesa arbeitet als Lektorin und Autorin.) Gern!

Ende Januar war es dann so weit: Ich machte mich auf an den Stadtrand von Hamburg, an die Elbe, dort wohnt und arbeitet Gesa in einem wunderschönen, sehr alten Fachwerkhaus …

Und hier ist Gesas Bericht

Es ist Wochenende und schon wieder hat ein fünfjähriges Besuchskind mir entsetzt mitgeteilt, dass mein Arbeitszimmer aber wirklich sehr, sehr unordentlich ist. Ob ich denn nie aufräumen müsse.

Nein, das muss ich nicht, sage ich überzeugend, das muss da alles so liegen. Brauche ich für die Arbeit.

Das stimmt natürlich kein Stück. Aber wohin nur mit dem ganzen Kram?

Ich sitze auf meinem Schreibtischstuhl und sehe mich um. In der hintersten Ecke meines großen Über-Eck-Schreibtisches stapeln sich Papiere, von denen ich mich offenbar vor Monaten dauerhaft verabschiedet habe. Ich komme nämlich gar nicht an sie ran. Eine DIN-A-4-große Fläche neben meiner Tastatur ist für Papierkorrekturen freigeräumt, der Rest ist ein großer Haufen Zeug. Ebenso auf dem Fußboden, der aus eben diesem Grund seit Wochen nicht gesaugt wurde.

Nach stundenlangem Starren komme ich zu dem Schluss, dass ein Schreibtisch weg muss. Je mehr Ablagefläche ich habe, desto schlimmer wird das Chaos.

Und dann? Wie richte ich mich ein? Ein Sideboard zum systematischeren Zumüllen? Ich starre und denke und komme nicht voran. Jede Idee ist nur halb gut. Das Einzige, das ich weiß: Mein Schreibtisch muss am Fenster stehen. Ich brauche ein bisschen Sozialleben, auch wenn es durchs Fenster im Grunde genommen nur secondhand ist.

An der Wand hinter mir steht ein großer, alter Schrank, auch darin sieht es nicht übermäßig ordentlich aus, aber es geht noch. Außerdem hat er Türen, die das Chaos verdecken. Er muss da stehenbleiben, denn dies ist der einzige Platz im Haus, an den er passt. Wir haben wenige breite, gerade Wände und noch seltener sind sie in Kombination mit der richtigen Deckenhöhe.

Als mir klar wird, dass ich auf der Stelle trete, ist auch die Einsicht da, dass ich Hilfe brauche. (Ausgerechnet ich! Ich kann mich doch einrichten?! Wie sonst konnte ich jahrelang von einem gemütlichen Zimmer ins nächste ziehen?) Barbara. Die macht doch sowas. Schnell ist eine Nachricht an sie verfasst und sie stimmt umgehend zu. Wie früh sie denn kommen solle … Tja, wie lange werden wir brauchen? Ich schicke ihr ein paar Fotos vom Chaos. Sie verspricht, sehr früh loszufahren.

Es ist Dienstag. Barbara betritt mein Arbeitszimmer, das ich schon weitestgehend (im Rahmen meiner Möglichkeiten) aufgeräumt habe, der Teppich ist entfernt, es gibt noch einen anderen im Haus, den ich gerade lieber möchte. Alles, was heimatlos herumlag, habe ich in eine große Kiste gepackt. Es sieht also nicht sonderlich gemütlich aus, selbst dann nicht, wenn man es schafft, sich die Unordnung wegzudenken.

Und dann sagt Barbara, wenn der eine Schreibtisch weg sei, könne ich den anderen doch um 90 Grad drehen. Drehen! In den Raum rein!

ABER MEINE AUSSICHT!

Keine Sorge, die bleibt. Wir entfernen den einen Tisch und verrücken den anderen. In der Tat. Sieht gar nicht so schlecht aus. Hm. Wenn man jetzt noch die Kommode schräg stellt … oh … und hier bräuchtest du noch ein Kastl, sagt sie. Da könntest du die Ablage machen.

Ein Kastl also statt einem Sideboard. Auch gut. Ich könnte dem Antiquitätenhöker in meiner Straße einen Besuch abstatten.

Barbara erklärt mir, wie sie in ihren Papieren Ordnung hält und ich halte das System für machbar. Mit dem, was ich schon habe (ein schmaler Kasten mit Hängeregistermappen statt Classei) baue ich es ihr nach.

Als Barbara weg ist, verfalle ich einem wahren Räumwahn. Ich packe und staple, räume und räume um, doch immer nur nebenbei, viel Zeit investiere ich gar nicht. Während der Arbeit habe ich immer wieder Ideen und räume spontan X nach Y, weil es da doch ganz gut aufgehoben wäre. Dafür muss Z nach A, das ist eh sinnvoller. Und so fügt sich langsam eins zum nächsten. Schließlich ist der Boden so weit freigeräumt, dass der Teppich aus dem Kinderspielzimmer einziehen kann. Die Kinder können nun endlich auf dem Parkett glitschen und ich habe ein Stück blauen Flausch im Zimmer. Gemütlich. Eigentlich könnte ich den dort überflüssigen Sessel auch gleich reinstellen.

Bleibt die Frage nach dem Kastl. Und da steht es. Seit Jahren fristet mein alter Sekretär ein Eremitendasein, da er nirgendwo so recht hinpasste. Willkommen in meinem Arbeitszimmer! Schnell die kleinen Regalfächer mit Büchern aus dem großen Regal gefüllt, dann ist dort Platz für Mistkisten.

Am Freitag kaufe ich bei Ikea Türen und Boxen für den ursprünglich proppevollen Expedit. Mehrere Fächer sind jetzt leer (mehr, als Bücher in den Sekretär passen), ich weiß gar nicht so genau, wie es dazu kam. Endlich ist genug Platz, um auch heimatlose Gegenstände unterzubringen. Belegexemplare aus der Lektorats- und Redaktionsarbeit wandern hinter Türen. Nur die Bücher, die ich selbst geschrieben habe, bleiben oben auf dem Regal stehen, eingefasst von meiner Anlage. Durch die Türen und Kästen sieht das Regal viel ruhiger aus.

Ich lehne mich zurück und bestaune mein Werk. Fehlt noch gemütliches Licht. Hatten wir nicht noch eine gelbe Leuchtssau auf dem Dachboden …?

Zwischenfazit nach einer Woche mit dem fertigen Zimmer

Ich habe neben der Straße auch mein Zimmer (und den schönen Schrank!) im Blick, ich glaube fast, ich bin weniger abgelenkt. Vor allem aber bin ich unglaublich zufrieden. Mal sehen, wie lange es so bleibt. Am Wochenende sitze ich in meinem Arbeitszimmer und lese. Nicht, dass ich noch ein Wohnzimmer gebraucht hätte. Aber wer arbeitet nicht gern in einer Wohnzimmer-Atmosphäre?

Die Wochen ziehen ins Land. Die Ordnung bleibt. Nur in den Kasten mit dem Hängesystem sehe ich nie rein, das ist also auch nicht das Richtige. Ich benutze nur eine der Registermappen zum Sammeln von Zeitungsausschnitten usw. für mein Buchprojekt. Alle anderen Jobs sind gerade so akut, dass sie nur kurze Zeit auf dem Tisch verbringen und dann entsorgt werden können. Ich habe das Gefühl, dass ich eine übersichtliche Fächermappe besser gebrauchen könnte und kaufe mir eine. Dafür muss ein Ablagefach ausziehen. So richtig klappt es mit denen irgendwie auch nicht, aber ich gebe ihnen noch eine Weile. Auf dem Sekretär liegen noch einzelne Kleinigkeiten, die keinen Platz haben.

Außerdem liegen in der Ecke neben dem Schrank noch meine Handtaschen, die zu oft gebraucht werden, um sie in einer Schublade verschwinden zu lassen. Der Weg führt mich also doch noch zum Antiquitätenhändler, bei dem ich zwei Haken erstehe.

Das habe ich gekauft:

  • drei Türen für Expedit, je € 8,00 (im Angebot)
  • drei Boxen für Expedit, je € 2,99 (im Angebot)
  • eine Fächermappe, € 6,49
  • zwei Messinghaken, je € 7,50

Das ist zugewandert:

  • ein großer und ein kleiner Flauschteppich
  • eine Lampe
  • ein Sessel
  • ein Sekretär

Das ist rausgeflogen:

  • ein Schreibtisch mit Schubladenschrank
  • ein Teppich
  • zwei Ordner
  • ein Stapel Altpapier
  • ein herumstehender Monitor
  • ein Haufen Kabel, die eigentlich woanders lagern

Der meiste Kleinkram hat einen Bestimmungsort gefunden. Nach und nach. Ich habe immer wieder innegehalten und über mögliche Optimierung nachgedacht, so fanden sich recht schnell die passenden Dinge zusammen.

Als fünf Wochen später Barbara zur Kontrolle kommt, fällt sie fast hintenüber. Zumindest bilde ich mir ein, dass sie ehrlich beeindruckt ist. Den Kleinkram auf dem Sekretär verzeiht sie mir und spricht von „totem Papier“, das sich auch in Zukunft sammeln wird und eben ab und zu aussortiert werden muss. Damit kann ich leben. Überhaupt ist es sehr entspannend, wenn einem nicht gesagt wird, dass man ordentlicher sein muss, sondern dass man vielmehr mit der genetisch bedingten Ordnungsunfähigkeit Frieden schließen und an praktikablen Lösungen arbeiten sollte.

Im Zuge anderer Umräumarbeiten habe ich die Gesamtheit meiner Uni-Ordner in dem großen Schrank untergebracht, der jetzt auch sortiert ist.

Was aber wirklich faszinierend ist: Ich arbeite besser. Ich erledige mehr Dinge umgehender.

Liebe Gesa, vielen herzlichen Dank für Deinen Bericht!

Wer mehr über Gesas Arbeit erfahren möchte, der kann bei Textfuß nachlesen. Gesa hat auch einen tollen Blog, wo sie u. a. über ihre interessanten Projekte schreibt – und manchmal auch über ihr wunderschönes Haus: Gesakram.